Mit Plakaten Position gegen Gewalt bezogen

Schüler des Wolfener Heinrich-Heine-Gymnasiums riefen im Landgericht Dessau-Roßlau viel Aufmerksamkeit hervor

„Helfen Sie mit, Müll zu trennen“, steht über den drei grauen Containern. Und welchen Unrat sie aufnehmen sollen, ist auf den Behältern zu lesen: Altglas, Altpapier und – Altdeutscher Hass. „Harte Strafverfolgung“ prangt auf einem anderen Blatt. Darunter sind stählerne Handschellen abgebildet. Die Fesseln sind freilich alles andere als unbequem: Ein weicher Plüschpelz in Rosa ummantelt das harte Metall. Und dann ist da noch die gigantische braune Woge, die das Wort „Demokratie“ packt und hinwegfegt.

Keine Frage, die Schüler des Heinrich-Heine-Gymnasiums in Wolfen haben mit ihren großformatigen Plakaten zum Thema „Rechtsextremismus und Jugend – Leere, Irrweg, Endstation“ mehr als einen Nagel mustergültig auf den Kopf getroffen. Und sich den ihren gehörig zerbrochen, wie das Treffen mit einer kleinen Abordnung aus ihrem Kreis im Landgericht Dessau-Roßlau zeigt. Dort nämlich, gleich im unteren Foyer vor jenem Saal, in dem die großen Schwurgerichtsprozesse stattfinden, wurde ihren Werken anlässlich des Jugendgerichtstages eine breite Ausstellungsfläche eingeräumt. und die knapp 30 Blätter finden auch nach wie vor Betrachter, die mit Erstaunen registrieren, wie präzise und intensiv sich die Gymnasiasten mit jenem Thema beschäftigt haben und sich der Herausforderung stellten, es künstlerisch umzusetzen.

Man geht ganz anders heran, wenn man Leute kennt, die selbst schon Opfer von Gewalt wurden.
– Beate Zwarg, Schülerin

„Es war sehr erfreulich, zu beobachten, wie sie die Aufgabe annahmen und sich bemühten, Position zu beziehen“, hat die langjährige Kunsterzieherin Elke Pollnow allen Grund zu uneingeschränktem Lob. Zumal die Neuntklässler, die sich mit der Materie im Rahmen des Sozialkundeunterrichts in Form von Wandzeitungen beschäftigten, und die Gymnasiasten der Klassenstufe elf nur knapp drei Wochen Zeit zur Fertigstellung der Arbeiten hatten. Unter Druck gesetzt fühlte sich aber deswegen kein Schüler. Im Gegenteil: Sogar in der Freizeit suchten sie untereinander den Kontakt, sprachen ab, welche Schrift und welcher Farbton sich am besten eignen würden, die Idee optisch am  wirkungsvollsten zur Geltung zu bringen. Zudem recherchierten nicht wenige im Internet, bevor den Plakaten im Unterricht der abschließende Schliff gegeben wurde.

„Entscheidend dabei war, mit wenigen Mittel viel zu erreichen“, erklärt Pollnow. Wobei die Schüler in ihrer kreativen Schaffensphase quasi vor der Haustür einen der Meister der prägnanten Plakatkunst hautnah studieren konnten. Denn Klaus Staeck, von 1939 bis 1956 in der Region lebend, stellte unlängst in der Bitterfelder „Galerie am Ratswall“ aus. Allerdings ist es den Gymnasiasten in hohem Maße gelungen, ihre eigenen Empfindungen in die Arbeiten einfließen zu lassen und Ausdrucksformen zu finden, die das große Vorbild nicht sklavisch kopieren, sondern ohne Übertreibung selbst das Prädikat „genial“ verdienen.

Dass die sich bewusst waren und sind, auf keiner Insel der Glückseligen zu Hause zu sein, wie Jörg Helbig, der Vorsitzende des Schulclubs, unterstreicht, trug offenbar ganz wesentlich dazu bei, mit Hilfe von Plakaten eine eindeutige Haltung gegen Gewalt in jeglicher Ausprägung zu formulieren.

„Es war für uns auf keinen Fall ein irgendwie abgehobenes Thema“, sagt Isabelle Günther. Und Beate Zwarg fügt dem hinzu: „Man geht ganz anders heran, wenn man Leute kennt, die selbst schon Opfer von Gewalt wurden.“ Verständlich, dass die Schüler es begrüßen würden, wenn sich ein Weg böte, die Plakate als Postkarten zu vervielfältigen. Zunächst sollen sie aber ordentlich gerahmt in der Galerie des Gymnasiums einen gebührenden Platz finden und dort auf eine ähnlich gut Resonanz stoßen wie bislang im Landgericht.

 

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 21.11.2007
Autor: Andreas Behling